Staatslobbyismus

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Definition

  • Staatslobbyismus bezeichnet den Umstand, wenn staatliche Organe (zusätzlich zu ihren gesetzlichen Mitwirkungsmöglichkeiten) politische Prozesse außerhalb ihrer unmittelbaren Entscheidungskompetenz zu beeinflussen.
  • Staatslobbyismus bezeichnet fünf verschiedene Prozesse:
      1. In vertikal gegliederten politischen System wird Lobbyismus von untergeordneten Institutionen bei höheren Institutionen als Staatslobbyismus bezeichnet, beispielsweise in föderalistischen System wie Deutschland:
        • Lobbyismus der Kommunen beim Land
        • Lobbyismus von Kommunen und Ländern beim Bund
        • Lobbyismus von Kommunen, Ländern und der Bundesregierung bei der EU in Brüssel
      2. In horizontal gegliederten politischen System in Form von Lobbyismus von gleichgestellten politischen Institutionen untereinander:
        • Beispielsweise in Deutschland beim Lobbyismus von nachgeordneten Bundesbehörden beim Bundeskanzleramt
        • Beispielsweise in den USA beim Versuch von Repräsentantenhaus und Senat bei der Einflußnahme auf die Administration
      3. Auf dem internationalen Level der Lobbyismus der Exekutive von Nationalstaaten gegenüber internationalen Organisationen, zum Beispiel gegenüber dem Pariser oder dem Londoner Club
      4. Auf dem internationalen Level zwischen Nationalstaaten, insbesondere der Empfängern von Hilfeleistungen oder Militärhilfen
      5. Wenn Nationalstaaten im Ausland für Unternehmen, die sich überwiegend in staatlicher Hand befinden, Lobbyismus betreiben.
        • Beispielsweise wenn der russische Präsident für die mehrheitlich staatlichen Energie-Betriebe im Ausland Kontakte knüpft.

Lobbyismus der Bundesländer in Berlin

  • Im Grundgesetz ist die Mitwirkung der Bundesländer festgelegt und dadurch gekennzeichnet, dass sie bei zahlreichen Gesetzen zustimmen muss und die Gesetze in den meisten Fällen auch umsetzen muss.
  • Die Bundesländer haben sich daher schon sehr früh in Bonn mit eigenen Vertretungen etabliert, wobei die Anzahl der Mitarbeiter und die Fülle der Aufgaben in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen haben.
  • Die Vertretungen der Bundesländer in Berlin haben folgende Aufgaben:
    • Sie koordinieren die Aktivitäten des jeweiligen Bundeslands im Bundesrat.
    • Sie ermöglichen den Austausch der Bundestagsabgeordneten aus diesem Land.
    • Sie repräsentieren die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen des jeweiligen Bundeslands.
    • Sie sammeln Informationen bezüglich neuer Gesetzesvorhaben.
  • Dies bedeutet, dass die Bundesländer neben den klassischen Lobbyismusaufgaben zusätzliche Aufgaben in der Gesetzgebung haben - sie sind daher auch Adressat von Lobbyismus.
  • Die Vertretungen der Bundesländer sind organisatorisch in der Staatskanzlei angesiedelt.
  • Das Selbstverständnis vieler Bundesländer ist daher weniger von der Interessensvertretung, sondern eher von der Mitwirkung als staats-hoheitliche Aufgaben geprägt.
  • Neben den Bundesländern sind auch die Kommunen sowie der Städte- und Gemeindetag in Berlin präsent.

Lobbyismus der Regionen in Brüssel

Siehe Regional Lobbyism für eine Übersicht über alle Artikel zum Thema Regionallobbyism.

Allgemeine Tendenzen

  • Die Regionen der EU sind eigentlich nicht unmittelbar an der europäischen Gesetzgebung beteiligt, da formal Ministerrat, Kommission und Europäisches Parlament die Interessen der Bürger und der Mitgliedsländer einbringen sollen.
  • Dennoch lohnt sich für die Regionen eine Präsenz in Brüssel:
    • Zahlreiche EU-Direktiven müssen von den Regionen umgesetzt werden oder haben zumindest unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft der Region.
    • Zahlreiche Förderprogramme sind spezifisch dazu geschaffen worden, um periphere und strukturschwache Regionen zu unterstützen.
    • Mittels des Ausschuss der Regionen gibt es ein offizielles Organ der EU, das die Interessen der Regionen koordinieren und artikulieren soll – allerdings ist der Ausschuss der Regionen als Mitwirkungsorgan relativ unbedeutet. Die Regionen haben deswegen oft die Erfahrung gemacht, dass direkte Präsenz sehr viel wichtiger ist als die Mitwirkung im Ausschuss der Regionen.
    • Zusätzlich zum Ausschuss der Regionen gibt es zahlreiche informelle und formelle Zusammenschlüsse der Regionen, zum Beispiel im Ausschuss der gesetzgebenden Regionen, dem auch alle Bundesländer angehören.
    • Im europäischen Parlament arbeiten die Abgeordneten nicht so stark nach Parteilinien als nach Interessenslinien zusammen, d.h. es macht wesentlich mehr Sinn als beispielsweise in Berlin, die Abgeordneten einer Region miteinander zu koordinieren.
      • Anders als in Washington, wo die Abgeordneten im Senat und im Kongress unmittelbar als Lobbyisten ihres Wahlkreises auftreten, sind die europäischen Parlamentsabgeordneten zahlreichen anderen Interessen verpflichtet - daher müssen die europäischen Regionen aktiv dafür sorgen, dass ihre Interessen gehört werden.
    • Die Generaldirektionen der Kommission haben oft funktionale Äquivalente in den Ministerien der Regionen – insofern diese gesetzgebende Regionen (wie z.B. die deutschen Bundesländer) sind, d.h. hier findet ein unmittelbarer Austausch zwischen Experten statt, der sowohl die europäische Gesetzgebung als auch die wirkungsvolle Umsetzung garantiert.
  • Auch wenn die Frage der legitimen Interessensvertretung der Regionen anfangs ungeklärt blieb (in Deutschland zum Beispiel verlangte die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland von den Vertretungen der Bundesländern, dass sie sich lediglich „Kommunikationsbüros“ oder „Kontaktbüros“ nennen, was diese hinsichtlich der besonderen Stellung in der deutschen und der europäischen Gesetzgebung verneinten), so ist mittlerweile die Zusammenarbeit der Regionalvertretungen mit den Ständigen Vertretungen sehr erfolgreich.
  • Auch die Zusammenarbeit mit einzelnen Firmenrepräsentanzen (beispielsweise BASF mit der Vertretung von Rheinland-Pfalz, VW mit der Vertretung von Niedersachen oder BMW mit der bayerischen Vertretung) ist oft sehr fruchtbar.
  • Dennoch ist insbesondere Deutschland oft gefährdet, aufgrund des deutschen Föderalismus und der Vielzahl der in Brüssel für deutsche Interessen sprechenden Stimmen als Akteur unterzugehen.

Strukturen

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House of Regions

Kooperationen

Zusammenschlüsse von Regionalbüros

Kooperationen von Regionen ohne eigene Vertretung in Brüssel

Vereinigungen von Städten und Regionen zu bestimmten Projektzielen

    • EMTA (Europäische Aufgabenträger im ÖPNV in Metropolregionen)
    • EURADA (European Association of Development Agencies)
    • IRE (Innovating Regions Europe)
    • Metrex (The network of European Metropolitan Regions and Areas)
    • Polis (European Cities and Regions Networking for New Transport Solutions)
    • CRPM - Conference of Peripheral Martime Regions of Europe
Grands Travaux
  • Europäisches Netzwerk von Städten zur Entwicklung von Kommunikationsstrategien für urbane Transformationen

Lobbyismus von Behörden in Brüssel

  • Ein interessanter Fall von nachgeordneten Behörden, die in Brüssel Lobbyismus betrieben, ist das Europabüro der Bundesagentur für Arbeit

Lobbyismus von Nationalstaaten in den Hauptstädten der Welt

  • Zunehmend sind auch Nationalstaaten dazu übergegangen, in den wichtigen Hauptstädten der Welt neben den diplomatischen Kanälen Lobbybüros zu beauftragen, für ihre Interessen zu werben.
  • In Berlin hatte beispielsweise die türkische Regierung lange Jahre die Berliner Politikberatungsagentur WMP beauftragt, ihre Interessen in Fragen der EU-Erweiterung zu vertreten, da die deutsche Regierung als Fürsprecher des Türkei-Beitritts galt.
  • Auch in Washington haben zahlreiche Regierungen (z.B. Entwicklungsländer, aber auch Ländern, in denen die USA eine große militärische Präsenz haben) Lobbybüros beauftragt, die finanziellen Beziehungen der USA zu ihrem Land zu verstärken.
  • Die Wahrnehmung von Lobbybüros außerhalb der diplomatischen Kanäle hat den Vorteil, dass die Kontaktaufnahme zu Politikern, zu Parlamentariern und zur Ministerialbürokratie wesentlich einfacher und verbindlicher gelingen kann – der Lobbyismus ist aber immer nur Ergänzung zu den diplomatischen Kanälen.
  • Auch einige deutsche Bundesländer, zum Beispiel Bayern, haben in wichtigen internationalen Städten (Shanghai, Washington, Singapur, Toronto) Verbindungsbüros.

Staatslobbyismus in Russland

  • In den 90er Jahren wurde vermehrt auch der Ausdruck Staatslobbyismus in Russland benutzt, da die Vertreter von Unternehmen, Banken, Militär, Geheimdienst und wichtigen Industriezweigen Abgeordnete in der Duma oder Minister im Kabinett von Präsident Jelzin stellten und so direkt Einfluß nehmen konnten.

Quellen zu Staatslobbyismus in Russland

  • Jaecker, Tobias (1997). Entscheidungsstrukturen in der Russischen Föderation: Die Organe und ihre Kompetenzen - Hausarbeit zum Proseminar „Zerfällt Rußland? Regionale vs. föderale Entscheidungsstrukturen in der Russischen Föderation", Dozentin: Simone Schwanitz, Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politische Wissenschaft, SS 1997. URL: http://www.jaecker.com/organe.htm